Papstbotschaft zum 50. Jubiläum der Promulgation des Ritus der Jungfrauenweihe

PAPST FRANZISKUS
BOTSCHAFT DES HEILIGEN VATERS
ZUM 50. JAHRESTAG DER PROMULGATION DES RITUS DER JUNGFRAUENWEIHE
Liebe Schwestern!
1. Vor fünfzig Jahren promulgierte die Heilige Kongregation für den Gottesdienst, im Auftrag des heiligen Paul VI., den neuen Ritus der Jungfrauenweihe. Die noch andauernde Pandemie hat die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens dazu gezwungen, das internationale Treffen zu verschieben, welches sie zur Feier dieses wichtigen Jahrestages einberufen hatte. Ich möchte mich dennoch Eurem Dank anschließen, wie der heilige Johannes Paul II. anlässlich des 25. Jahrestages der Promulgation des Ritus sagte, für diese »zweifache Gabe des Herrn an seine Kirche«: für den erneuerten Ritus und »für den der Gemeinschaft der Kirche zurückgegebenen « Ordo fidelium (Ansprache an die Teilnehmerinnen der Internationalen Tagung des Ordo Virginum, 2. Juni 1995).
Eure Lebensform findet ihre erste Quelle im Ritus, erhält ihre rechtliche Gestaltung in can. 604 des Kodex des kanonischen Rechts und ab 2018 in der Instruktion Ecclesiae Sponsae imago. Eure Berufung macht den unerschöpflichen und vielfältigen Reichtum des Geistes des Auferstandenen deutlich, der alles neu macht (vgl. Offb 21,5). Zugleich ist sie ein Zeichen der Hoffnung: Die Treue des Vaters legt auch heute noch einigen Frauen den Wunsch ins Herz, dem Herrn in Jungfräulichkeit geweiht zu sein und diese in ihrem gewöhnlichen sozialen und kulturellen Umfeld, in einer Teilkirche verwurzelt, in einer alten und gleichzeitig neuen und modernen Lebensform zu leben.
Von Euren Bischöfen begleitet, habt Ihr die Eigenart Eurer Form des gottgeweihten Lebens vertieft und dabei erfahren, dass die Jungfrauenweihe Euch in der Kirche zu einem besonderen Ordo fidelium macht. Setzt diesen Weg fort und bemüht Euch gemeinsam mit den Bischöfen um ernsthafte Wege der Berufungsfindung, der einführenden Ausbildung und der ständigen Weiterbildung. Das Geschenk Eurer Berufung drückt sich in der Tat in der Symphonie der Kirche aus, die entsteht, wenn sie in Euch Frauen erkennen kann, die das Geschenk der Schwesternschaft zu leben im Stande sind.
2. Fünfzig Jahre nach dem Inkrafttreten des erneuerten Ritus möchte ich Euch sagen: Löscht die Prophetie Eurer Berufung nicht aus! Ihr seid nicht durch eigenes Verdienst, sondern aufgrund der Barmherzigkeit Gottes dazu berufen, in Eurer Existenz das Antlitz der Kirche, der Braut Christi, aufleuchten zu lassen, die Jungfrau ist, weil sie, obwohl sie aus Sündern besteht, den Glauben unversehrt bewahrt sowie eine neue Menschheit empfängt und wachsen lässt.
Gemeinsam mit dem Geist, mit der ganzen Kirche und jedem Hörer des Wortes seid Ihr eingeladen, Euch Christus zu anzuvertrauen und ihm zu sagen: «Komm!» (Offb 22,17), um in der Kraft zu verbleiben, die seine Antwort spendet: «Ja, ich komme bald!» (Offb 22,20). Diese Ankunft des Bräutigams ist der Horizont Eures Weges in der Kirche, Euer Ziel und die jeden Tag neu zu ergreifende Verheißung. »Auf diese Weise könnt ihr mit eurer ehrenhaften Lebensweise Sterne sein, die Orientierung geben für den Lauf der Welt« (Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo Virginum, 15. Mai 2008).
Ich lade Euch ein, die Texte des Ritus neu zu lesen und zu meditieren, in denen die Bedeutung Eurer Berufung widerhallt: Ihr seid berufen, zu erfahren und zu bezeugen, dass Gott uns in seinem Sohn zuerst geliebt hat, dass seine Liebe allen gilt und die Kraft hat, Sünder in Heilige zu verwandeln. In der Tat hat »Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben […], um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort!« (Eph 5,25-26). Euer Leben wird die eschatologische Spannung durchscheinen lassen, die die gesamte Schöpfung belebt, die ganze Geschichte antreibt und aus der Einladung des auferstandenen Herrn entspringt: »Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch!« (vgl. Hld 2,10; Origenes, Predigten über das Hohelied II, 12).
3. Die Modellpredigt des Ritus der Jungfrauenweihe ermahnt Euch: „Liebt alle und bevorzugt die Armen“ (Nr. 29). Die Jungfrauenweihe behält Euch Gott vor, ohne Euch von Eurem Umfeld zu entfremden, in dem Ihr lebt und dazu berufen sind, Euer Zeugnis in dem evangeliumsgemäßen Stil der Nähe zu geben (vgl. Ecclesiae Sponsae imago, 37-38). Mit dieser besonderen Nähe zu den Menschen von heute möge Eure jungfräuliche Weihe der Kirche helfen, die Armen zu lieben, materielle und geistige Armut zu erkennen und den Gebrechlichsten und Wehrlosesten zu helfen, den körperlich und psychisch Leidenden, den Kleinen und den alten Menschen, denen, die in Gefahr sind, wie Abfall ausgesondert zu werden.
Seid Frauen der Barmherzigkeit, Experten der Menschlichkeit. Frauen, die »an das Revolutionäre der Zärtlichkeit und der Liebe« glauben (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 288). Die Pandemie lehrt uns: »Es ist an der Zeit, die Ungleichheit zu beseitigen, die Ungerechtigkeit zu heilen, die die Gesundheit der gesamten Menschheit bedroht!« (Predigt in der Hl. Messe, Barmherzigkeitssonntag, 19. April 2020). Was in der Welt gerade geschieht, möge Euch aufrütteln: verschließt nicht die Augen und lauft nicht weg; durchschreitet mit Feingefühl den Schmerz und das Leiden ; haltet durch und verkündigt das Evangelium von der Fülle des Lebens für alle.
Das Gebet der Jungfrauenweihe ruft die vielfältigen Gaben des Geistes für Euch herab und bittet darum, dass Ihr in einer casta libertas zu leben vermögt. (Ritus der Jungfrauenweihe, 38). Möge das Eure Art sein, Beziehung zu leben, um Zeichen der bräutlichen Liebe zu sein, die Christus mit der Kirche, Jungfrau und Mutter, Schwester und Freundin der Menschheit, vereint. Mit Eurer Güte (vgl. Phil 4,5) knüpft Ihr echte Beziehungsgeflechte, die unsere Stadtviertel aus der Einsamkeit und Anonymität befreien mögen. Seid zur Parrhesia fähig, von der Versuchung zu Geschwätz und Klatsch aber haltet Euch fern. Tretet der Überheblichkeit mit Weisheit, Unternehmungsgeist und der Maßgeblichkeit der Nächstenliebe entgegen und verhindert so Machtmissbrauch.
4. Am Pfingstfest möchte ich jede Einzelne von Euch segnen wie auch die Frauen, die sich auf diese Weihe vorbereiten und alle, die sie in der Zukunft empfangen werden. »Der Heilige Geist ist der Kirche mitgeteilt worden als unerschöpfliches Prinzip ihrer Freude als Braut des erhöhten Christus» (hl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Gaudete in Domino, 41). Seid als Zeichen für die Kirche in ihrer bräutlichen Dimension Frauen der Freude nach dem Beispiel von Maria von Nazaret, der Frau des Magnificat, der Mutter des lebendigen Evangeliums.
Rom, bei St. Johannes im Lateran, am 31. Mai 2020, dem Hochfest von Pfingsten.
Franziskus
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http://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/pont-messages/2020/documents/papa-francesco_20200531_messaggio-50-ritoconsacrazione-vergini.html vom 1.6.2020

Anfänge einer Berufungsgeschichte

Aus dem persönlichen Bericht einer Virgo consecrata:

Meine Eltern waren katholisch getraut. Meine Mutter entstammte einer katholischen Familie, mein Vater war evangelisch. Mein Bruder und ich wurden evangelisch getauft. Wir erhielten 10 Jahre „bürgerliche Erziehung“. Religiöses Leben spielte in unserer Familie keine Rolle. Wir erfuhren die Indoktrination der Hitlerjugend. Ich war damals sehr stolz auf meine Uniform: ein dunkelblauer Rock, eine weiße Bluse, ein schwarzes Halstuch mit einem hellen Lederknoten zusammengehalten und die unverwüstliche „Kletterweste“ aus hellem Duvetin. Einmal hatte ich mich sehr schön angezogen – mit dieser Uniform – und ging spazieren. Allein. Ich ging durch einen von großen Bäumen verschatteten Weg und wusste auf einmal: Wir leben in einer riesigen Lüge, all das, was ich höre als Indoktrination, ist Lüge. Ich konnte mit niemandem darüber sprechen. Ich war 11 Jahre alt.

Als ich 8 Jahre alt war, begann in der Schule der Religionsunterricht. Ich erinnere mich an einen hochgewachsenen Mann, der mit donnernder Stimme zu uns sprach. Nur ein Satz ist mir aus dieser einzigen Religionsstunde in Erinnerung geblieben. „Gehe aus deines Vaters Hause.“ – Ich war so begeistert von all dem Gehörten, dass ich mich zu Hause in einen Sessel setzte und die gesamte Religionsstunde lauthals wiederholte. Meine Mutter, die aus Gründen, die ich erst Jahrzehnte später erfuhr, die Religion ablehnte, hörte das und forschte nach, woher ich das hätte. Einige Tage später riefen mich meine Eltern zu sich und sagten: Du brauchst nicht mehr zum Religionsunterricht zu gehen, du bist davon befreit … Ich war fassungslos, so etwas Herrliches sollte ich nicht mehr erfahren dürfen? Davon war ich befreit? Meine Eltern schenkten mir dann ein Buch mit germanischen Runen. Ich fand sie schauerlich, aber konnte es auch nicht sagen. Mich gegen die Entscheidung meiner Eltern durchzusetzen war undenkbar.

So gingen die religionslosen Schuljahre dahin. In all den Jahren nahm ich am Religionsunterricht nicht teil und galt als schwarzes Schaf, zumal ich auch sehr frech war.

Dann kam 1945 der totale Zusammenbruch. Unser gesamtes Weltbild war total zerstört, lag in Schutt und Asche. Mein Vater muss sich große Sorgen um mich gemacht haben und wohl auch Rat bei Freunden und Bekannten gesucht haben. Eines Tages kam er in mein Zimmer, gab mir ein Buch in die Hand und sagte: Lies das mal.

Es war das Neue Testament.

Ich las die vier Evangelien. Die Paulusbriefe waren mir zu schwer. Zwischendurch fragte mein Vater: Liest du in dem Buch? Ich sagte, ja. Und? „Es ist sehr schwer…“ – Ich kann mich nicht erinnern, was ich beim Lesen empfunden habe. Aber kurze Zeit später saß ich abends am Fenster und schaute zum Himmel. Auf einmal wusste ich: Es gibt eine Liebe, die ist größer als alle menschliche Liebe. Ich war entschlossen, diese Liebe zu finden.

Was ich dafür in den nächsten Jahren tat, daran kann ich mich im Einzelnen nicht mehr erinnern. Als dann die Berufswahl kam, wusste ich, dass ich einen Beruf brauchte, der mir mein Auskommen sicherte. Denn ich spürte, dass ich mich von meinen Eltern trennen musste, um mein Ziel zu erreichen. Damals kam mir wieder das Wort in Erinnerung „Gehe aus deines Vaters Hause.“ Ich machte eine Ausbildung als ...

Ich wusste jetzt, dass die große, überirdische Liebe Christus ist. Und ich musste klären, ob ich evangelisch oder katholisch bin. Ich setzte mir eine Frist von 3 Jahren, um dies zu klären. Ich las das Buch „Der Herr“ von Romano Guardini, ein klarer Wegweiser. Einige Monate ging ich sonntags vormittags in den evangelischen Gottesdienst und nachmittags in die katholische Messe. Wochenlang. Eines Tages stand ich in der Messe. Es wurde lateinisch gesprochen. Ich verstand kein Wort und wusste gar nicht, worum es ging.

Plötzlich wusste ich ganz deutlich: hier ist Christus.

Buchvorstellung: "Braut Christi - Virgo consecrata"

Im FE-Verlag ist ein neues Buch zum Thema Virgo consecrata erschienen, das für alle, die mit dem Thema Virgo consecrata zu tun haben, von Interesse sein könnte. Wir zitieren aus einer Beschreibung der Herausgeberin, Judith Belz:

Mir geht es darum, über verschiedene Ansätze (Texte von Kirchenvätern und Heiligen, Bildern, Hymnen und Gebeten, Zeittafel über die Geschichte, Heiligenbeschreibungen, Ritus mit Erläuterungen, Ausführungen zu den Evangelischen Räten und christlicher Mütterlichkeit) einen Zugang zur Berufung der Geweihten Jungfrau zu geben, sich der Spiritualität der Brautmystik annähern zu können. Es handelt sich dabei um meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen, zu denen ich durch die Zeit seit meiner eigenen Jungfrauenweihe, über die Arbeit an dem Buch, Studium der Geschichte und des Ritus in seinen verschiedenen Entwicklungsphasen, sowie Gebet gelangt bin. ... [Ich] möchte ... betonen, dass es Darlegungen aus meiner ganz persönlichen Sicht sind, für die ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit erhebe.

„Braut Christi - Virgo consecrata - Gedanken zur Brautschaft und der Berufung der Geweihten Jungfrau“, FE-Medienverlags GmbH, Kißlegg, ISBN: 978-3-86357-233-4

Maria - virgo orans

Maria, die virgo orans, wie sie inmitten der Apostel um die Herabkunft des Heiligen Geistes betet, ist und bleibt wohl für jede geweihte Jungfrau eine Quelle der Inspiration. Romano Guardini hat einmal sinngemäß vom Rosenkranzgebet gesagt, dass der Rosenkranz kein Weg sei, sondern ein Raum, und dass er kein Ziel habe, sondern eine Tiefe. In diesen Raum einzutreten und zu verweilen – mitten in einem säkularen Umfeld, als betende Kirche in der Welt – all das hat uns bewegt, als einige von uns sich am letzten Wochenende  zusammengefunden hatten, um neu darüber nachzudenken, was es heißt in einer säkularisierten Welt im Stand der Jungfräulichkeit zu leben, damit wir auf die Fürsprache Marias „immer zu erfüllen vermögen, was höchster Auftrag der Kirche ist: die Verherrlichung des lebendigen Gottes, aus der das Heil der Menschen kommt.“ (Benedikt XVI.)

Mehr dazu in unserem geschlossenen Bereich. Zur Diskussion steht ein Beitrag über die virgo consecrata als virgo orans, die betende Kirche in der Welt. Wir freuen uns auf einen lebendigen Austausch. Beiträge willkommen.

mein Mädchen

Ein schrecklich heißer Tag war es. Klimawandel? Ein Tag, an dem auch die Gemüter kochen. Wie so oft hatte ich mich gefragt, was mich heute erwarten würde. „Schwangerenkonfliktberatung“ ist der offizielle Ausdruck.

Als virgo consecrata fühle ich mich dem Leben verpflichtet. Leben (!) - trotz der brutalen Hitze und der vertrocknenden Erde da draußen. Leben (!), ja, Leben, es ist heilig, unantastbar und doch so oft wie die Perlen vor den Säuen mit Füßen zertrampelt, missachtet, zerstört. Und doch ist es Leben, ist heilig und schützenswert. Meine Gedanken schweifen dann gerne kurz an den Worten aus der Predigt von Papst Johannes Paul II. zum internationalen Treffen 1995 in Rom vorbei (s.u.).

An diesem Tag saß ein nicht mehr ganz junges Elternpaar gegenüber. 3 Monate vor dem Termin war die Schwangerschaft schon sehr eindrücklich zu sehen. Leider war dieses Kind krank, schwer krank. Eine Falschaussage an der Stelle war nicht drin. Es hilft nicht, wenn ich Sie jetzt anlüge, sagte ich. Ein Blitzen in den Augen gegenüber: Jetzt haben die Ärzte so viele Untersuchungen gemacht, sagte diese Frau, die müssen jetzt sagen, wie krank genau dieses Kind ist! Spontan musste ich an die Aussage denken, dass Überbringer schlechter Nachrichten geköpft werden. Und warum diese ganze Last auf einen Schlag, ohne dieses Kind sehen, berühren, in die Arme nehmen zu können?! Wieder wurde mir bewusst, welche riesige Last all diesen Eltern akut aufgebürdet wird.

… Auf meine Gegenfrage, ob sie bei Geburt des 8jährigen Sohnes schon wussten, dass er aktuell Logopädie benötigen würde, wechselte der fast aggressive Ton gegenüber und machte erstmals Platz für Tränen. Aber wir wollen ein gesundes Kind! Die Großcousine ist schwer behindert, im Rollstuhl, mit Krampfanfällen. Tränen. Beide Syrer, beide mit einem Kreuz an der Halskette. Wir haben unseren beiden Kindern versprochen, dass wir Zeit für sie haben werden, dass nicht ein schwer behindertes Kind die Zeit dafür auffressen wird. Ich schaffe das nicht, sagte die Mutter.

Wieviel spüren Sie denn von dem Kind, fragte ich. Ein Zögern. „Mein Mädchen“ ist sehr lebhaft, es strampelt ganz viel, es schläft nur nachts, wenn ich auch schlafe.

… dann habe ich den Papierkrieg zur Seite geschoben. Darf ich als Mensch mit Ihnen sprechen und alles andere einen Moment beiseitelassen? Sie hängen doch an diesem Kind, es ist „Ihr Mädchen“, es ist lebendig und bewegt sich. Es ist da. Es wird nie nicht gewesen sein. Sie werden immer wieder daran denken, wie es diesem Mädchen wohl gehen würde. Sie haben beide ein Kreuzchen an – glauben Sie an Gott? Auf meiner Seite ging das x’te Stoßgebet zum Himmel in diesem Moment. In das fast betretene Schweigen hinein, sagte ich: Im Koran steht, dass behinderte Kinder Engel sind, dass die Eltern, die sie pflegen, in den Himmel kommen. Ja, in ihrer Heimat sei das auch so, sagte die Mutter. Ein Schwangerschaftsabbruch sei bei ihnen eine Sünde. Aber diese riesige Angst vor der Aufgabe. Aber wenn Gott, eine solche Aufgabe stellt, dann wird er auch die Kraft dafür geben, das ist dann sein Job, sagte ich. Der Mann blickte seine Frau fragend an.

Ich will „mein Mädchen“ behalten, sagte sie, ich kann es niemals abgeben. Tränen, aber dahinter plötzlich ein Lächeln. Ein ganz tiefes, inniges, schönes und reines Lächeln. Ein Lächeln, das jeden Rückweg in die vorhergehende Dunkelheit aus Ängsten und Unklarheiten einfach nur wegwischte wie der Wind eine Feder. Ein Lächeln, das die betreuende Ärzteschaft nach dem Gespräch verwirrte und aufmerksam werden ließ. Diese unendliche Macht der reinen Liebe! (ds)

Aus der Ansprache von Papst Johannes Paul II am 2.Juni 1995 anlässlich des erstes internationalen Treffens der Virgines consecratae in Rom:

Sie (Anm.: die virgo consecrata) ist auf der Suche nach dem, was droben ist, wo sie Christus findet, der zur Rechten Gottes sitzt (Kol 3,1). Dieser Umstand jedoch macht Euch nicht unbeteiligt gegenüber den großen Leiden der irdischen Stadt, ihren Ängsten und Kämpfen, ihren Konflikten und der Trauer, die hervorgerufen wird durch Kriege, Hunger, Seuchen und die verbreitete Kultur des Todes. Habt ein barmherziges Herz, das teilnimmt an dem Leid der Brüder! Setzt Euch ein für die Verteidigung des Lebens, für die Förderung der Frau, für die Respektierung ihrer Freiheit und ihrer Würde.  

... vor dem Fenster ...

Und ein weiterer, anstrengender, langer Arbeitstag. Über alle Versuche, an anderer Stelle eine Art Arbeitszeitschutzgesetz auch nur annähernd umzusetzen, muss ich spontan lächeln. Es ist Sommer – da draußen zumindest. Wenn ich die Nase ans Fenster drücke und in den Innenhof hochschiele, sehe ich hoch über mir ein wenig von dem blauen Himmel - da draußen. Es wird dunkel sein, wenn ich am Abend endlich hier herauskomme. Die vereinzelten Kirchen werden verschlossen sein, die Gottesdienste werden lange vorbei sein am Abend - dann wenn ich „nichts“ getan habe, außer meine Arbeit vor Deinem Angesicht, mein Gott, nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen.

Es verbleibt dann nur diese schreckliche Dunkelheit in mir und in meinem Leben, die mich zu erdrücken scheint. Dabei erzählen mir die Mitmenschen jeden Tag vom Sommer, von der Natur, vom Urlaub, von Wander- und Fahrradtouren, vom Schwimmbad … Andere Menschen erzählen von der Mitfeier beim Gottesdienst, vom gemeinsamen Gebet, von der Eucharistie, von Seiner Nähe.

Wie gefangen fühle ich mich in diesem Beruf, an dieser Arbeitsstelle, die ich mir doch selber ausgesucht hatte, die doch auch so viel Gutes und Positives beinhaltet. Die Zweifel nagen, die Verzweiflung klopft an. Wo bist Du, mein Gott? Was soll ich tun? Wie soll ich in der Welt sein, wenn dieses Dasein in der Welt mich Dich zu verlieren lassen scheint ?! Ich verstehe einfach nicht, ich kann nicht mehr …

Am späten Nachmittag muss ich in einem anderen Büroraum etwas holen gehen. Ein langer, heller Raum, in dem um diese Uhrzeit niemand mehr ist. Von der Türe aus blickt man in Richtung auf ein übergroßes Fenster gegenüber, dahinter die Stadt mit grünen Bäumen und 2 Kirchtürmen, darüber spannt sich der blaue Himmel – und davor ? Davor dieses riesige, lebensgroße Fensterkreuz, das ganz nahe ist, das mit mir in diesem Raum ist, das Raum und Stadt und auch den blauen Himmel darüber umgreift. Mit einem Mal überwältigt es mich völlig, Sein Dasein und Seine Nähe überwältigen mich, so dass ich mit einem stummen Gebet nur niederknien kann in „meiner“ Kapelle, in „meinem“ Gefängnis, in dem ER da ist, ER mitgeht, ER mich trägt und hält, ER mich für IHN dasein lässt in einem Umfeld, das wirklich Diaspora ist, das IHN so bitter nötig hat und noch weniger Möglichkeit hat, IHM näher zu kommen, als ich das habe. ER hat mich an sich gebunden, ER trägt mich, ER hat mir sogar eine Art eigene „Kapelle“ eingerichtet. Ich muss nur aushalten, durchhalten, mich von IHM tragen lassen – zu meinem Heil und zum Segen für meine Mitmenschen.     (sm)

 

Franz von Sales:

Wenn dein Herz wandert oder leidet, bring es behutsam an seinen Platz zurück und versetze es sanft in die Gegenwart deines Herrn.

Und selbst wenn du in deinem Leben nichts getan hast, außer dein Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obwohl es jedesmal wieder fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein Leben wohl erfüllt.

 

Magnifikat

Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!

Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.

Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;

er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,

das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

 

 

Antiphon der Hl.Agnes aus dem Weihe-Ritus:

"Ich bin vermählt mit dem, dem die Engel dienen und dessen Schönheit Sonne und Mond bewundern."

Elisabeth von Dijon:

‚Braut Christi sein!’ ‚Braut’: was lässt dieser Name alles erahnen an geschenkter und empfangener Liebe, an Vertrautheit, Treue, totaler Selbsthingabe! ...

Braut sein, das bedeutet, ausgeliefert sein, wie Er sich ausgeliefert hat: das bedeutet, geopfert werden wie Er, durch Ihn, für Ihn… Christus schenkt sich uns ganz und wir werden ‚ganz sein’! ... ‚Braut sein’ bedeutet, volles Recht auf Sein Herz zu haben...

Es ist eine innige Begegnung, Herz an Herz, fürs ganze Leben... Es bedeutet, leben mit ... immer mit..., sich von allem in Ihm auszuruhen und Ihm erlauben, sich von allem in unserem Herz auszuruhen! ... Es bedeutet, nur noch lieben zu können; lieben, indem man anbetet, wiedergutmacht, betet, bittet, sich selbst vergisst; immer und auf jegliche Art und Weise liebt! ‚Braut sein’, das bedeutet, seinen Blick in den Seinen tauchen, die Gedanken nur mit Ihm beschäftigt, das Herz ganz ergriffen, ganz durchdrungen, wie außer sich und in Ihn übergegangen; die Seele erfüllt mit Seiner Seele, erfüllt mit Seinem Gebet; das ganze Wesen gefesselt und hingegeben... Es bedeutet, stets fest den Blick auf Ihn gerichtet haben, das kleinste Zeichen erspüren, Ihm den geringsten Wunsch von den Augen ablesen. Es bedeutet, an allen Seinen Freuden teilhaben und all Seine Trauer und Betrübnis mittragen. Es bedeutet fruchtbar sein, miterlösen, Seelen zum Leben in Seiner Gnade erwecken, die Schar der vom Vater an Kindes statt Angenommenen, der von Christus Erlösten, der Miterben Seiner Herrlichkeit vergrößern. Und schließlich, zur Braut genommen sein, zur mystischen Braut, das bedeutet, Sein Herz so sehr entzückt zu haben, dass das Wort Gottes alle Distanz vergisst und sich in die Seele ergießt wie in den Schoß des Vaters, mit der gleichen Ekstase unendlicher Liebe! Vater, Wort und Geist überfluten die Seele, vergöttlichen und vollenden sie in der Einheit, durch die Liebe.